Perry Rhodan

(Autor: Robert Simon  Gregor Aschenbroich, Verlag: Fantasy Productions GmbH)

 Die Faszination der Sammelkartenspiele hat mittlerweile auch die erfolgreichste Science Fiction Romanserie der Welt erreicht. Nachdem seit rund 35 Jahren in jeder Woche ein neuer Perry Rhodan Roman erscheint, ist bei den Fans schon lange der Wunsch vorhanden, die Romane in Spielen nachzuerleben. Diese Möglichkeit eröffnet sich jetzt durch das Perry Rhodan Sammelkartenspiel in ungeahnter Ausführlichkeit. Als eine der wenigen Ausnahmen zu den vielen Kartenspielen dieser Art mit englischer bzw. amerikanischer Herkunft ist es ein rein deutsches Produkt und daher bisher auch nur in deutscher Sprache erhältlich. Es unterscheidet sich von den anderen bekannten Sammelkartenspielen (allen voran Magic, the Gathering) durch eine neue interessante Kombination von Spielelementen.

 Ein grundsätzlich neues Element sind die verschiedenen Kartenvorratsstapel, von denen ein Spieler neue Karten zieht. Es gibt einen Stapel, genannt Materiequelle, mit jeweils eigenen Karten für jeden Handlungsabschnitt der Romane. Um das Spiel interessant zu gestalten und den Spielmechanismus nicht zu überfordern stimmen diese Handlungsabschnitte nicht mit den Romanzyklen überein, sondern entsprechen einzelnen Teilen dieser Zyklen. Die Aufteilung der Karten in eine gute und eine böse Seite ist bereits von den Sammelkartenspielen zu Krieg der Sterne und Mittelerde bekannt. Bei Perry Rhodan ist neu, dass jeder Spieler die beiden Seiten gleichzeitig und gleichberechtigt spielt. Es gibt also für beide Seiten die gleichen Kartentypen mit ähnlichen Fähigkeiten.

 Das Spiel ist für zwei bis fünf Spieler vorgesehen. Die optimale Spielerzahl liegt bei drei oder vier. Jeder Spieler spielt mit seiner guten Seite, genannt Pro-Seite, gegen die bösen Seiten, genannt Anti-Seiten, seiner Mitspieler. Jeder Spieler befindet sich immer in einer Spielphase, die einem Handlungsabschnitt der Romane entspricht und der eine Materiequelle zugeordnet ist. Um neue Karten aus dem Kartenvorrat zu ziehen, stehen immer die Materiequelle der aktuellen Spielphase und alle Materiequellen der vorangegangenen Spielphasen zur Verfügung. Einige Karten sind einer oder mehreren Spielphasen zugeordnet. Sie werden auf den Ablagestapel gelegt, sobald die im Regeltext auf der Karten angegebene Spielphase verlassen wird. Beim Ziehen von Karten werden diejenigen, die in der aktuellen Phase des Spielers nicht erlaubt sind, sofort auf den Ablagestapel gelegt und durch neu gezogene Karten ersetzt. Ziel des Spieles ist es, für jede Spielphase als erster die zugehörige in der Spielregel speziell beschriebene Siegbedingung zu erfüllen, den somit möglichen Phasenwechsel auszulösen und die Siegpunkte dafür zu bekommen. Wer nach dem Phasenwechsel der letzten Spielphase, die zu spielen vereinbart wurde, die meisten Siegpunkte aufweisen kann, gewinnt.

 Der Spielmechanismus steuert das Ausspielen von Karten durch eine Mischung aus den von Magic, the Gathering her bekannten Ländern, die Energiepunkte für die verschiedenen teueren Karten liefern, und den aus Shadowfist bekannten Ressourcen, die bestimmte ausgespielte Karten liefern und für andere Karten geliefert werden müssen, um diese ausspielen zu können. Beim Perry Rhodan Sammelkartenspiel gibt es daher also die Orte und die auf den Karten aufgedruckten Prämissen. An jedem Ort können sich Personen, Truppen und Raumschiffe befinden sowie allerlei Zubehör für Orte, Personen, Truppen und Raumschiffe. Es bilden sich für jeden Ort drei Kartenstapel, den der Ort-Karten mit ihrem Zubehör, den der Personen und Truppen an diesem Orte mit ihrem Zubehör sowie die an diesem Ort befindlichen Raumschiffe mit ihrem Zubehör. Beim Ausspielen von Karten muss man ihren Namen ansagen. Liegen sie jedoch erstmal unter einem der genannten Kartenstapel, darf kein Gegner die Kartenstapel durchsehen um sich die Karten anzusehen. Man erkennt hier erneut das Ratespiel um verdeckte Karten, das bereits im Sammelkartenspiel zu Star Trek Next Generation in ähnlicher Weise verwendet und von Netrunner bereits aufgegriffen wurde. Man darf pro Spielrunde eine Ort-Karte ausspielen. Die Anzahl der für einen Ort ausgespielten Ort-Karten, gibt an, wieviele andere Karten pro Spielrunde an diesen Ort ausgelegt werden dürfen, sofern die Prämissen für die Karten ebenfalls erfüllt sind. Die Anzahl der für einen Ort ausgespielten Ort-Karten bestimmt außerdem die Anzahl der Personen-, Truppen- und Raumschiff-Karten, die an diesem Ort vorhanden sein dürfen.

 Auf den Karten befinden sich übliche Elemente: das obligatorische Bild und namentliche Nennung des Künstlers, die Symbole für die Prämissen, der Kartennamen, dem Kartentyp, ein Regeltext und evtl. ein passendes Zitat aus einem der Romane. Auf den Personen-, Truppen- und Raumschiffkarten finden sich zusätzlich noch Angaben über Reichweite und Transportkapazität (jeweils Zahlen von eins bis vier) sowie für Kämpfe die Tarn-, Angriffs- und Verteidigungswerte (jeweils Buchstaben von A bis E). Die Zahlen für die Reichweite und Transportkapazität kodieren Bedeutungen, die in der Regel erklärt sind. Die Buchstaben beziehen sich auf Bereiche für Zufallszahlen. A steht für 1, B für eins oder zwei und schließlich E für eins bis fünf. Die Zufallszahlen werden durch Aktionskarten vorgegeben, die im Spiel einen separaten Stapel bilden, von dem verdeckt gezogen wird. Dieses Zufallselement erinnert an das Sammelkartenspiel zu Mittelerde. Die Gestaltung der Aktionskarten weicht von der der anderen Karten ab. Unter dem gesamten Kartensatz des Spiels gibt es für jeden Roman, der den Karten zugrunde liegt, eine Aktionskarte. Dies ist für den Spielmechanismus unwichtig, verschafft jedoch dem Eingeweihten einen zusätzlichen Bezug zu den Romanen. Auf jeder Aktionskarte ist das Titelbild des zugehörigen Romans incl. Heftnummer und Titel zu sehen. Es gibt neben einem Missionsfeld, das die Auswirkung verlorener Kämpfe bestimmt, vier Kategorien von jeweils zwei Zufallszahlen. Jeder Kategorie ist der entsprechende Buchstabe zugeordnet. Um die Rückseite der Aktionskarten sinnvoll zu verwenden sind dort alle Symbole aufgeführt, die in Prämissen auftauchen können, so dass man sich ggf. dort sofort orientieren kann. Auf den Rückseiten der anderen Karten ist das wichtigste die römische Ziffer, die den zugehörigen Handlungsabschnitt angibt. Unter den Karten gibt es noch zwei weitere bisher noch nicht genannte Kartentypen. Da sind zunächst mal die galaktischen Rätsel. Sie repräsentieren die Abenteuer, die in den einzelnen Handlungsabschnitten der Romane durch die Hauptpersonen erlebt werden. Zur Siegbedingung für eine Spielphase gehört es normalerweise, mindestens ein galaktisches Rätsel auszuspielen. Die Schwierigkeit hierbei sind die zu erfüllenden Prämissen, die mehr oder weniger schwierig zu erfüllen sind. Schließlich gibt es noch die Ereigniskarten, die man nach Bedarf in den Spielverlauf hineinstreuen kann, um diesen zu den eigenen Gunsten zu beeinflussen. Etwas verwirrend beim Kennenlernen sind auf den Karten leider die Fußnoten, deren Handhabung auch in der Regel nicht erwähnt ist. Bei den Prämissen und den Angaben der Kartenwerte finden sich manchmal kleine hochgestellte Zahlen, die im Regeltext der Karte wieder auftauchen, jedoch teilweise in anderer Farbe oder einem anderen Zeichensatz so dass ein unvorbereiteter Spieler zunächst ein kleines Ratespiel gewinnen muss, um die Karten verstehen zu können.

 Das Spiel läuft so ab, dass jeder seine Materiequellen für die einzelnen Spielphasen mischt, und dann von der ersten 10 Karten zieht. Dann kommt jeder Spieler beginnend beim Startspieler reihum mit seinem Spielzug dran. Jeder Spielzug gliedert sich in verschiedene Abschnitte. Zunächst werden passive Karten wieder aktiviert. Die Begriffe passiv und aktiv entsprechen dem tapped und untapped bei Magic, the Gathering. Bei Perry Rhodan rät die Spielregel jedoch dazu, die passiven Karten auf den Rücken zu drehen. Im zweiten Abschnitt kann man eine Mission ausführen. Man benennt dazu einen Startort und einen Zielort. Eine Defensivmission führt immer von einem Ort der eigenen Pro- oder der Anti-Seite zu einem anderen Ort derselben Seite. Eine Offensivmission führt immer von einem Ort der eigenen Pro-Seite zu einem Ort einer gegnerischen Anti-Seite oder von einem Ort der eigenen Anti-Seite zu einem Ort einer gegnerischen Pro-Seite. Die Pro- und Anti-Seiten eines Spielers können also, was den Handlungsverlauf im Spiel angeht, nicht in direkte Wechselwirkung miteinander treten. Jede Pro-Seite bildet mit allen gegnerischen Anti-Seiten eine eigene Realität und ebenso jede Anti-Seite mit allen gegnerischen Pro-Seiten. Das Ziel einer Mission muss in der Reichweite aller nicht transportierten Raumschiffe liegen. Nach dem Missionsabschnitt folgt der Abschnitt Materiequelle. In diesem Abschnitt zieht der Spieler eine Karte von einer der ihm zugänglichen Materiequellen und spielt dann im Rahmen der Spielregeln beliebig viele Karten aus. Schließlich legt er so viele Karten aus seiner Hand auf den Ablagestapel, dass er wieder maximal 10 Karten auf der Hand hat. Ein Spielphasenwechsel muss am Anfang eines Zuges angesagt werden, so dass die Spieler in der Regel eine Runde lang Zeit haben, den Wechsel zu sabotieren, sobald sie erkennen, dass einer die Siegbedingung für die aktuelle Spielphase erfüllt hat.

 Bei einer Offensivmission kommt es in der Regel zum Kampf. Für einen Kampf nehmen die Spieler alle Karten, die an dem Kampf teilnehmen sollen auf eine separate Kampfhand. Zunächst wird ein Raumkampf durchgeführt. Alle Schiffe des Angreifers, die den Raumkampf unbeschadet überstehen ohne sich zurückzuziehen können ihre Ladung ausladen und es kommt zum Bodenkampf. Sofern mindestens eine Person oder eine Truppe des Angreifers diesen Kampf übersteht, ohne sich zurückzuziehen, kommt es zu einer Reduzierung, d. h. eine am Zielort befindliche Karte wandert auf den Ablagestapel. Alle im Kampf vernichteten Personen, Truppen und Raumschiffe incl. Ladung und Zubehör wandern natürlich ebenfalls auf den Ablagestapel. Im Kampf werden durch abwechselndes Auslegen einzelner Karten Kampfpaarungen gebildet, die einzeln behandelt werden. Der Tarnwert bestimmt dabei, ob der Angreifer ohne Kampf die Linien des Verteidiger durchbrechen kann. Die Angriffs- und Verteidigungswerte eines Kampfpaares werden gleichzeitig verglichen. Ist ein Angriffswert höher als der Verteidigungswert, wandert der Besitzer des Verteidigungswertes auf den Ablagestapel. Insbesondere kommen im Kampf die besonderen Fähigkeiten einzelner Personen, für die sie in den Romanen bekannt sind, zum Zuge, hierbei natürlich nicht zuletzt die Mutanten.

 Bisher gibt es nur Karten für die Spielphasen I bis III. Sie behandeln die Hefte 1 bis 37. Die Phase IV ist bereits in Arbeit bzw. schon zu bekommen. Der Spielverlauf in den einzelnen Phasen ist an die Romane angelehnt. Man kommt insbesondere durch die galaktischen Rätsel nicht daran vorbei, die Romanhandlung mehr oder weniger nachzuspielen. Dabei behält man jedoch genug Freiheiten. Die Bilder auf den Karten sind verglichen mit den Bildern der letzten Magic- und Mittelerde-Auflagen nicht ganz so überragend. Das liegt auch daran, dass man das ehr spärlich vorhandene Bildmaterial der Romane weitgehend verwenden wollte. Die neu gestalteten Bilder lassen jedoch noch zu wünschen übrig. Einige Regeldetails sind noch unausgereift, wie bei einem so relativ komplizierten Spiel nicht anders zu erwarten und von den ersten Magic-Auflagen bekannt. Positiv fällt die im Regelheft abgedruckte Liste der für die Spielphasen I bis III existierenden Karten auf, leider jedoch ohne Seltenheitsangabe. Zu bemerken ist noch, dass die Starterdecks nur Karten der Spielphase I enthalten. Die Boosterpacks enthalten die Karten der Phasen II und III. Die nächste Auflage aus Boosterpacks enthält Karten der Phase IV. Die übernächste wird wieder aus Starterdecks bestehen. Man wird bei den Boosterpacks für die Phasen II und III das Gefühl nicht los, dass es ruhig etwas mehr Orte ihn ihnen hätte geben können. Insgesamt macht das Spiel einen sehr viel versprechenden Eindruck. Bei den genannten Kritikpunkten denke man an die ersten Auflagen von Magic, the Gathering.